Interferone
Interferon-induzierte Proteine: Die 2'-5'-Oligoadenylat-Synthetase (OAS)
- Abb.1
- Dimer der 2'-5'-Oligoadenylat-Synthetase
2'-5'-Oligoadenylat-Synthetase des Wildschweins (Sus scrofa); Kette B als durchscheinendes Kalottenmodell (PDB-Code: 1PX5).
Die 2'-5'-Oligoadenylat-Synthetase (OAS), auch 2-5A-Synthetase genannt, gehört zu den wichtigsten Interferon-induzierbaren Proteinen der Zelle, die bei einem Virusbefall synthetisiert werden. Dieses Enzym reagiert auf die Anwesenheit von doppelsträngiger RNA (dsRNA), die normalerweise in einer Zelle nicht vorkommt.
Im Verlauf der Replikation von RNA-Viren entsteht dsRNA entweder als Endprodukt1) oder als Zwischenprodukt der RNA-Synthese bei RNA-Einzelstrang-Viren (ssRNA-Viren). Ähnlich wie bei der DNA-Replikation wird bei ssRNA-Viren ein Strang der viralen RNA als Matrize verwendet. An ihm wird der komplementäre RNA-Strang, der später als einzelner Strang in die Viruspartikel verpackt wird, synthetisiert. Mehr zur Systematik der dsRNA- und ssRNA-Viren finden Sie in der Lerneinheit Viren.
Bereits geringe Mengen an Interferon-α oder Interferon-β reichen aus, um die Synthese der 2-5A-Synthetase in einer Zelle anzuschalten. Dieses Enzym erzeugt in Gegenwart von doppelsträngiger RNA aus ATP-Molekülen ein 2'-5'-Polyadenylat (2-5A).
- Abb.3
- 2-5A-abhängige Ribonuclease des Menschen
Gezeigt ist der N-terminale Bereich des Moleküls, die so genannte Ankyrin-Domäne. Als Kalottenmodell ist ein 2'-5'-Triadenylat eingeblendet (PDB-Code: 1WDY).
2'-5'-Polyadenylat ist ein ungewöhnliches kleines Molekül, das aus drei bis fünf Adenylaten in 2'-5'-Bindung anstatt der normalen 3'-5'-Bindung besteht. Dieses Polyadenylat aktiviert nun eine in der Zelle normalerweise inaktive Ribonuclease, die RNaseL ("L" steht für latent). Sie baut einzelsträngige RNA, wie die mRNA oder einzelsträngige virale RNA, in der Zelle ab. Der Effekt der RNaseL besteht vor allem darin, dass die Vermehrung der Viren in der Zelle stark verlangsamt wird. Ohne virale mRNA oder einzelsträngige virale genomische RNA können weder virale Proteine noch neue, infektiöse Viruspartikel erzeugt werden.
Das Enzym unterscheidet jedoch nicht zwischen viraler und zellulärer mRNA, so dass auch alle normalerweise ablaufenden zellulären Prozesse zum Erliegen kommen. Die Aktivierung der RNaseL muss daher in einer Zelle strikt reguliert werden, um die zellulären Prozesse nicht zu lange zu unterbinden. Dies geschieht über die kurze Halbwertszeit des Enzyms, das in der Zelle innerhalb weniger Stunden wieder abgebaut wird.
Literatur
Hovanessian, A. G.; Svab, J.; Marié, I.; Robert, N.; Chamaret, S.; Laurent, A. G.
(1988):
Characterization of 69- and 100-kDa forms of 2-5A-synthetase from interferon-treated human cells. In: J. Biol. Chem.. 263
, 4945-4949
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1) | Z.B. bei Viren mit RNA-Doppelstrang-Genom wie den Rotaviren, die vor allem bei Kleinkindern schwere Durchfälle verursachen. |